Oktober 1996 – Feuer im Flughafengebäude Das war die letzte Nacht im Bunker der türkischen Botschaft. Mit den Taliban wollen wir uns dann doch nicht anlegen. Am Nachmittag soll ein Flugzeug der UN von Kabul in Pakistans Hauptstadt Islamabad gehen. Da würden wir gerne mitfliegen. Über mein Satellitentelefon nehme ich Kontakt mit der zuständigen Stelle
Oktober 1996 – Feuer im Flughafengebäude
Das war die letzte Nacht im Bunker der türkischen Botschaft. Mit den Taliban wollen wir uns dann doch nicht anlegen. Am Nachmittag soll ein Flugzeug der UN von Kabul in Pakistans Hauptstadt Islamabad gehen. Da würden wir gerne mitfliegen. Über mein Satellitentelefon nehme ich Kontakt mit der zuständigen Stelle im UN-Gebäude in Islamabad auf. „Alles kein Problem“, heißt es dort. Es gibt genug Platz in der Maschine und wir sollen einfach um 15:00 Uhr am Flughafen sein.
Schon kurz nach der Mittagszeit setzt unser Fahrer uns am Airport ab. Wieder fällt auf, wie zerstört das Terminal ist und wir wundern uns, dass die einzige Start-/Landebahn überhaupt noch benutzbar ist. Mit unserem schweren Gepäck schnaufen wir in die Halle, die trotz des teilweise zerstörten Dachs etwas Schutz vor der Sonne bietet. Laute Stimmen schallen uns entgegen. Offensichtlich gibt es Streit. Und tatsächlich stehen dort zwei europäisch aussehende Frauen und diskutieren mit mehreren Männern, die ganz in schwarz gekleidet sind.
Neben der kleinen Gruppe brennt ein qualmendes Feuer. Ein weiterer Europäer kommt auf uns zu, spricht uns auf Französisch an. Ali reagiert sofort, fragt, was hier los sei und lässt sich in wenigen Worten alles erklären. Eine der beiden Frauen ist wohl vom Fernsehen der BBC. Sie wollte schon vor ein paar Tagen abreisen, hat aber keinen Flug bekommen. Gestern, so berichtet der Franzose, der selbst vom französischen Kanal TV5 ist, habe ein Kommando der Taliban die BBC-Kamera zerstört. Aus dem dritten Stockwerk eines Hauses geworfen. Ob die Taliban wohl wissen, dass so ein Gerät rund 100.000 Mark kostet? Ob sie das überhaupt interessieren würde?
Mindestens ebenso schlimm hat es die Franzosen getroffen: Die andere Frau, die mit den Taliban-Polizisten streitet, ist die Reporterin von TV5. Und das, was da ein paar Meter weiter, auf dem Fußboden brennt, sind die Videokassetten des französischen Kamerateams… Ich ahne, was uns bevorsteht.
Der kleine Ali, der stille, zurückhaltende Mann mit Glatze; der Mann mit etlichen Jahren Erfahrung als Kameramann im Vietnamkrieg, er geht stolz und selbstbewusst auf die Taliban-Polizei zu, begrüßt den englisch sprechenden Mann mit einem höflichen, islamischen Gruß, macht ein paar Handbewegungen zu Herzen und zum Kopf und fragt, ob wir uns wohl dort hinten in die Ecke setzen dürften, um auf das Flugzeug zu warten.Ein eindeutiges Kopfnicken, ein „Inshallah wird das Flugzeug bald kommen“ und wir sind in die Sitzecke entlassen. Die Polizisten sehen wir nie wieder, das Flugzeug kommt gegen 16:00 Uhr und kurz vor Sonnenuntergang sind wir und die beiden anderen Fernsehteams in Islamabad. Alle unsere Kassetten und die komplette Ausrüstung in unserem Gepäck..
Das nächste Kapitel meines Afghanistan-Tagebuches erscheint am 15. Oktober 2019 unter dem Titel „Februar 2001 – Reportagen aus dem „Islamischen Emirat Afghanistan“. Ein weiteres Kapitel gibt es dann ca. alle 14 Tage. Insgesamt werden vorerst etwas mehr als 60 Kapitel veröffentlicht. Wann immer möglich, versuche ich selbst gemachte Fotos oder Standbilder aus unseren Videofilmen zu verwenden. Wenn Bilder von anderen Fotografen verwendet werden, sind diese immer namentlich gekennzeichnet. Dieser Blog kann weiter unten auf dieser Seite abonniert werden.
Dieter Herrmann, der Autor dieses Afghanistan-Tagebuchs, lebt in Australien, berichtet von dort für deutsche Fernsehsender und ist Chefredakteur der einzigen deutschsprachigen Zeitung in Australien. Bekannt ist er als Medientrainer für Hörfunk- und Fernsehsender sowie für Führungskräfte im oberen Management, Offiziere und Piloten. Kontakt zum Autor und weitere Informationen zu den angebotenen Medientrainings über die Homepage dieses Blogs oder unter dieter(at)australia-news.de [bitte das (at) durch das @-Zeichen ersetzen!]